Beitragende

Dienstag, 28. August 2012

Freies Training

In den letzten Wochen habe ich eine kleine Trainingspause eingelegt. Die Sommerferien mit geändertem Trainingsplan kamen wie gerufen, beruflich und privat war ich anderweitig eingespannt. Nachdem ich die letzten zwei Wochen sogar das freie Training geschwänzt hatte, versetzte ich mir heute den dringend notwendigen "Arschtritt" und zwang mich zum Training. Und wie glücklich bin ich, dass ich da war!

Das freie Training gibt einem die Möglichkeit mal andere Sachen auszuprobieren. So kam es, dass ich mich nach einer Hanbo-Stunde zu zwei Schwarzgurten gesellte, die sich eine kleine Mattenfläche ausgelegt hatten. Matten bedeutenimmer spannendes Training für mich.
Ich fragte, ob ich mitmachen dürfte. Die Antwort war: "Klar, aber eigentlich reden wir nur!" Zu reden gab es auch einiges, denn auf der Matte standen André, unser Ju-Jutsu-Danträger, sehr drahtig, durchtrainiert und flink und Peter, ein "Karate-Shotokaner" durch und durch, im Vergleich zu mir eher ein Riese und mit ziemlich viel Kraft. Das heißt da prallen Welten aufeinander. Thema war im Kern welcher Kampfsport was für die Selbstverteidigung mitbringt.
Toll an solchen Diskussionen finde ich, dass das Aufeinanderprallen der Welten stets sehr respektvoll und interessiert vor sich geht. Es werden Situationen diskutiert und wie man sie mit welchen Mitteln aus der jeweiligen Kampfsportart auflösen könnte. Dabei hört jeder sehr interessiert dem anderen zu und es wird auch mal was ausprobiert. Aus diesen Diskussionen kann jeder Beteiligte etwas mitnehmen.
Ich überlegte kurz, ob ich wohl einen eigenen Beitrag in dieser Konstellation leisten könnte und entschied mich in dieser Runde das einzubringen, was die jeweilige Kampfsportart für mich als eher kleinere Frau für die Selbstverteidigung mitbringt (oder wovon ich glaube, dass es was bringt).
Am Anfang probierten wir ein paar Standardabwehrtechniken bzw. Befreiungstechniken aus dem Griff an den Kragen von vorn. Zum Warmwerden war das schon mal ganz spannend. Nach einiger Zeit schauten wir dann wie man aus einem Würger oder aus einem "Von-hinten-an-die-Schultern-packen-und-rückwärts-ins-Gebüsch-zerren" rauskommt.
Spannend zu sehen war, dass natürlich jeder eine SV-Situation aus seiner eigenen Perspektive bewertet. Das heißt, dass Peter (groß und stark) für sich eine Variante fand, dem Griff zu entkommen, die für mich gar nicht funktionierte.
André zeigte mir dann eine andere Variante, die beinhaltet, dass ich mich selbst zu Boden fallen lasse, wenn der andere mich rückwärts an meinen Schultern zerrt (das kostet einen Karateka schon Überwindung) und ich mich dann am Boden mit den Füßen über meinem Kopf drehe um im Anschluss mit einer gezielten Fußtechnik den anderen zu Boden zu bringen. Von außen betrachtet sieht das ganz einfach aus, aber ich hatte ein Problem mit der Orientierung. Wenn man irgendwie rückwärts auf den Rücken gefallen ist und dann noch die Füße über den Kopf hält und sich dreht, dann weiß ich nicht mehr wo links und rechts und oben und unten ist... :-) Im zweiten Anlauf klappte das besser.
Die Übungssituation ging so weiter, dass ich es zwar schaffe am Boden liegend den Angreifer zu Boden zu bringen, er es dann aber schafft sich kniend zwischen meinen Beinen zu positionieren (während ich auf dem Rücken liege). In einer echten SV-Situation keine angenehme Situation. Da braucht man noch nicht mal groß Kopfkino dafür.
Trotzdem gibt es dafür Folgetechniken, die mit etwas Glück dazu führen, dass man den Angreifer soweit kontrolliert, dass man im Idealfall da raus kommt. Wie immer am Boden hatte ich das Problem mich zu orientieren, zusätzlich ist es schwer sich in dem ganzen Arm- und Beinverknote zurechtzufinden, erst recht, wenn man vorher nur aus der Vogelperspektive zugesehen hat. Meistens habe ich ja dann noch das Problem im Bodenkampf die Nerven zu behalten, aber heute trieben wir es nicht soweit auf die Spitze, dass ich mich wirklich bedrängt fühlte, sondern konzentrierten uns auf die Technik. Die Technik funktionierte grob so, dass man einen Schlag ins Gesicht oder Griff etc. seitlich ablenkt um dann einen Würger bzw. Halsschlagaderabklemmer anzusetzen. Für mich funktionierte die Abwehr mit Hilfe und ohne große Gegenwehr des Gegners einigermaßen, so dass ich das Gefühl hatte man könnte das hinkriegen, wenn man es noch etwas üben würde.
Besonders spannend war dann als die beiden Schwarzgurte das gleiche Szenario ausprobierten. André, als die heiße Blondine und Peter, als der "ins-Gebüsch-Zieher" - wenn ich das mal so flapsig sagen darf -, der mittlerweile zwischen den Beinen des auf dem Rücken liegenden André kniete ...
Nach Sekunden purzelten beide auf dem Boden rum, beide darauf Bedacht die Oberhand zu gewinnen. Peter fast ohne Nah- und Bodenkampferfahrung, aber mit viel Kraft und in der etwas überlegenen Angreiferposition.
Ich muss ehrlich sagen, ich hätte 20 Euro auf André gesetzt. Zu meiner Überraschung hatte er aber deutliche Probleme. Natürlich kann man in einer Übungssituation nicht alles geben, denn man will sich ja nicht gegenseitig verletzen. André schaffte es zwar die Situation halbwegs zu kontrollieren, kommentierte sogar zwischendurch seine Aktionen für mich (keine Ahnung wie man das schaffen kann...), aber er schaffte es nicht wirklich sich aus dem Kuddelmuddelschwarzgurtknäuel zu lösen. Nach ca. 30 Sekunden waren beide wirklich fertig, André hatte Schweißperlen auf der Stirn und atmete schwer.
Ich muss sagen, dass mich das ziemlich geschockt hat. Denn wenn ich mir vorstelle, dass ich an André's Stelle gewesen wäre, hätte ich gar keine Chance gehabt. Schon allein die Kondition dort 30 Sekunden durchzuhalten, hätte ich vermutlich nicht. Es ist unglaublich wieviel Kraft man mobilisieren muss, das weiß ich aus eigenen Bodenkampftrainingserfahrungen.
Natürlich geht's bei SV um die Wurst. Man ist in einer Situation in der man glaubt, dass Kämpfen die einzige Möglichkeit ist für sich selbst Schadensbegrenzung zu betreiben. Das heißt es ist der verzweifelte Versuch halbwegs heil davon kommen, wenn alle anderen Varianten bereits erfolglos waren. In so einer Situation gibt es keine Versicherung und keine Erfolgsgarantie.
Genauso wie im Karate war hier in der Bodenkampfsituation die gute Reaktion und Abwehr der ersten Technik meiner Meinung nach entscheidend. Wenn man die korrekt erwischt, hätte auch ich trotz körperlicher Unterlegenheit eine ganz gute Chance. Wenn man die nicht erwischt, dann wird es wirklich schwierig.

Auf jeden Fall war das heutige Training ein guter Auftakt für den mit Lehrgängen gespickten Herbst. Als erstes kommt Anfang September der SV-Lehrgang von Andreas Modl. Darauf freue ich mich schon sehr! Mal sehen, was ich da mitnehmen kann.
Für heute habe ich mindestens mitgenommen, dass ich doch dringend mal wieder zum Ju-Jutsu gehen sollte, das Mattengepurzel hat mir doch gefehlt in letzter Zeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen